Wärmepumpe – Allheilmittel bei der Gebäudewärmeversorgung? Ein Interview mit Professor Dieter Wolff, Leiter des DBU-Projektes „Weiterentwicklung, modellhafte Anwendung und Verbreitung der Energieanalyse aus dem Verbrauch (EAV) für die Wohnungswirtschaft“.

Herr Professor Wolff, Sie empfehlen einen beschleunigten Ausbau der Gebäudewärmeversorgung auf Wärmepumpen. Würde der dafür nötige Netzausbau nicht hinterherhinken?

Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff: Unsere Untersuchungen zu den effektivsten Lösungen für den Geschosswohnungsbau ergeben folgende sinnvolle Reihenfolge: PV-Ausbau auf allen Dächern, die zur Verfügung stehen und diese für Eigen- und Mieterstromlösungen und für möglichst dezentrale Wärmepumpen weitgehend nutzen. Als Wirtschaftlichkeitskriterium nutzen wir den niedrigsten äquivalenten CO2-Preis, das heißt, Investitionskosten beziehunsgwiese jährliche Kapitalkosten je eingesparter Tonne CO2. Dann wird, wenn immer möglich, die dezentrale Wärmepumpenlösung als Luft-Wasser-Wärmepumpe oder als Erdreich-Wasser-Wärmepumpe am wirtschaftlichsten gegenüber Netzlösungen sein.

Der CO2-Preis ist von außen nicht beeinflussbar …

… Voraussetzung aller Überlegungen ist dabei, dass durch politische Entscheidungen eine angepasste CO2-Bepreisung kurzfristig eingeführt wird. Der Gaspreis müsste um 40 Prozent steigen – was bereits erfolgt ist – und der Strompreis muss um 40 Prozent sinken. Es kommt also auf den richtigen CO2-Preis an. Der sollte deutschland-, europa- und möglichst auch weltweit für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr und Gebäude einheitlich sein, sich am Upstream-Prinzip des 2019 von der damaligen Bundesregierung eingeführten „Gesetz über einen nationalen Zertifikate-Handel für Brennstoffemissionen“ (BEHG) orientieren und mittelfristig auf den Europäischen Emissionshandel (Downstream-Prinzip) ETS übertragen werden. Kostenlose Zertifikate-Zuteilungen oder Befreiungen von irgendwelchen Steuern sollten dann die Ausnahme sein.

Sollten sich die Gebäude zumindest in Teilen selbst mit Strom versorgen, oder wäre ein Quartieransatz die bessere Lösung?

Quartieransätze sind nur da sinnvoll anwendbar, in denen das Quartier eines einzigen Wohnungsunternehmens oder von einem Betreiber geprägt ist. BHKW-Technologien oder Biogas haben keine Marktchancen mehr in einer regenerativen Welt. Biomasse weist gegenüber PV- und Erdreichflächen eine sehr viel geringere Flächeneffizienz auf. Warme Nah- und Fernwärmenetze, die in Zukunft auch im Wesentlichen durch Großwärmepumpen gespeist werden müssten, benötigen ebenfalls einen nicht zu vernachlässigenden Flächenmehrbedarf verglichen mit kalten Netzen, die aus den gleichen niedrig temperierten Wärmequellen gespeist werden müssten.

Könnte sich das dänische Modell mit großflächiger Solarthermie, großen Wasserspeichern zur jahreszeitlichen Verschiebung der Wärmelasten und Bio-Heizkessel als Backup hierzulande durchsetzen?

Dänemark hat bereits in den 1970-er Jahren nach der ersten Ölkrise wegweisende Entscheidungen getroffen. Aber unter ganz anderen Randbedingungen als Deutschland. Am einfachsten lässt sich das durch die in Dänemark fast doppelt so hohe Landfläche je Einwohner erklären. Damit standen auch mehr Biomasse und Flächen für Solarthermie zur Verfügung. Hätte man für Deutschland in den 1970er-Jahren die Umstellung auf Wärmepumpen flächendeckend vorgenommen (damals mit Atomstrom), wären wir heute sicherlich auch in Deutschland schon sehr viel weiter. Die sinkenden Öl- und Gaspreise nach 1984 bis etwa 2005 machte diesen Ideen einen Strich durch die Rechnung.

Die Wohnungswirtschaft tut sich schon mit dem KfW-70-Standard schwer, ab 2025 soll der EE40-Standard gelten. Das ist eine deutliche Verschärfung, das wird die Baukosten treiben. Gleichzeitig sollen mehr Sozialwohnungen entstehen. Kann der Zielkonflikt über eine höhere Energieeffizienz gelöst werden?

Die KfW-Standards beziehen sich leider immer noch auf den Primärenergiebedarf und nicht auf CO2-Emissionen. Es ist bei der nächsten Novellierung des GEG und BEG dringend notwendig, den Wechsel zu vollziehen. Gleichzeitig sollte man auch den Nachweis drastisch vereinfachen: Würden etwa Wärmepumpen eingesetzt, müssten nur noch Anforderungen an deren Effizienz gestellt werden, die sich im realen Betrieb einfach durch die bereits heute vom BEG geforderten Strom- und Wärmemengenzähler nachweisen lassen.

Also, das Konstrukt der Nachweisführung auf den Prüfstand stellen …

… seit 2005 setze ich mich dafür ein, das gesamte Konstrukt der Nachweisführung früher für die EnEV und heute für das GEG und das BEG mit aufwändigen Bilanzierungsverfahren und nicht mehr zeitgemäßem Kompensieren zwischen Gebäude und Anlagentechnik wesentlich zu vereinfachen. Die vom BMF 2019 und vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz eingeführte EnSanMV könnte sofort an die Stelle des GEG treten und damit den Nachweis als „Best-Practice-Forderungen“ festlegen.  Der Nachweis über eine EAV im realen Betrieb wäre dann automatisch gegeben, wenn Messeinrichtungen für In- und Output von Wärmeerzeugern immer gefordert würden

Und der Vorteil wäre?

Dann kämen kostengünstigere Lösungen auch für neue Sozialwohnungen heraus, wie viele Neubauten zum Beispiel in Hamburg zeigen. Wir brauchen nicht in allen Fällen eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung, auch einfache Abluftanlagen erfüllen ihre Aufgaben. Wir brauchten keine aufwändigen Hybridlösungen oder Solarthermie in Mehrfamilienhausneubauten. Mit dem überwiegenden Einsatz von Wärmepumpen könnten Warmmieten ohne Anforderungen zur Heizkostenerfassung genutzt werden. Die Trinkwarmwasserbereitung könnte kostengünstig dezentral elektrisch in jeder Wohnung mit Durchlauferhitzern oder Kleinspeichern mit Elektroheizstab erfolgen. Kosten für Heizkostenerfassungssysteme könnten eingespart werden. Die Effizienz von Gebäude und Anlagentechnik könnte mit Effizienzmessungen im Wärmeerzeuger automatisch festgestellt werden. Dies wird ja heute bereits vom BEG gefordert.

Sie schließen grünen Wasserstoff als Lösung für den Wärmemarkt aus. Haben Sie dafür eine Begründung?

Weil wir einen drastischen Rückgang der CO2-Emissionen von heute zirka 800 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf nahe null im Jahr 2030, also in den nächsten zehn Jahren benötigen, wenn wir unser Restbudget von 4,2 Giga-Tonnen zum Einhalten des 1,5-Grad-Ziels nicht überschreiten wollen. In dieser Zeit können H2-Technologien nicht vom heutigen Experimentierstatus schnell genug hochskaliert werden. Jede Diskussion über Technologieoffenheit und Importe von H2 verkennt die Lage und verzögert den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Mit direkter Nutzung von PV und Windkraft für dezentrale Wärmepumpen in den Gebäuden sparen wir uns etwa das fünf- bis achtfache an erneuerbarer Elektrizität als in einem Brennwertkessel zukünftig H2 oder synthetisches Methan zu verbrennen. Für mich unverständlich ist, dass Heizkesselhersteller noch auf das Pferd setzen.

März 2022 - ZKI
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